Geschätzte Mitglieder der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz
Sehr geehrte Damen und Herren
Ich freue mich sehr, Sie hier begrüssen zu dürfen an unserem traditionellen – ja beinahe schon legendären – Neujahrsapéro der Industrie- und Handelskammer Zentralschweiz. Was sich als gesellschaftliches Treffen der Zentralschweizer Handelskammer bestens bewährt hat, das wollen wir auch mit unserer neuen Organisation weiterführen! Zur Tradition gehörte, dass sich die Wirtschaftsführer unserer Region am ersten Arbeitstag des Jahres zum Neujahrapéro trafen – und diesen Brauch setzen wir als IHZ noch so gerne fort. Bevor wir zum geselligen Teil übergehen, erlaube ich mir, Ihnen ein paar Gedanken zum abgelaufenen und auch zum bevorstehenden Jahr mitzugeben.
Wir blicken auf ein ereignisreiches Jahr zurück. Die Auswirkungen dieser Ereignisse sind noch längst nicht ausgestanden und werden uns auch in Zukunft noch beschäftigen. Was seine gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Folgen sind, das lässt sich noch nicht absehen. Da halte ich mich an den chinesischen Premierminister Zhou Enlai, der 1970 gesagt hat: „Es ist noch zu früh, um ein Urteil abzugeben.“
Ein weltweit folgenschweres Unglück hat sich am 11. März des vergangenen Jahres in Fukushima ereignet. Ein verheerendes Erdbeben vor der Küste Japans führte zu einer Reihe schwerer Störfälle und katastrophaler Unfälle im Kernkraftwerk Fukushima. Die dramatischen Ereignisse in Japan seien ein „Einschnitt in die Welt“, meinte damals Bundeskanzlerin Angela Merkel. Wir alle mussten zur Kenntnis nehmen, dass selbst in einem Hochtechnologieland wie Japan die Risiken der Kernenergie nicht sicher beherrschbar sind. Die Eintretenswahrscheinlichkeiten für einen atomaren Super-GAU sind mit Fukushima neu definiert worden. Vor dem tragischen Ereignis in Fukushima wurde das „Restrisiko“ der Kernenergie auch in unserem Land von einer Mehrheit akzeptiert, weil man überzeugt war, dass in einem hochentwickelten Land diese Restrisiken beherrschbar sind.
Unsere Landesregierung hat als Folge der Katastrophe im Mai den Ausstieg aus der Kernenergie beschlossen, der inzwischen auch von den Eidgenössischen Räten abgesegnet wurde. Es ist also die Absicht von Bundesrat und Parlament, dass keine neuen Kernreaktoren mehr bewilligt werden und die bestehenden Anlagen nach Ende ihrer Laufzeit vom Netz genommen und abgeschaltet werden.
Ein schlüssiges Konzept für den Ausstieg legte der Bundesrat bisher nicht vor, obwohl diese Umstellung in der Energieversorgung alle Beteiligten vor eine Herkulesaufgabe stellt. Es kommt der Quadratur des Kreises nahe, wenn die Schweiz ohne Kernenergie auskommen solle und gleichzeitig
- die Klimaschutzziele einhalten,
- keine Arbeitsplätze gefährden,
- die Strompreise stabil halten und
- die Versorgungssicherheit gewährleisten will.
Die Versorgungssicherheit ist für unsere Wirtschaft aber von zentraler Bedeutung und die nun geschaffene Ungewissheit stellt eine nicht akzeptierbare Situation dar. Dazu kommt, dass wir uns auch über den Zielkonflikt zwischen Landschaftsschutz und Klimaschutz unterhalten müssen, wenn die Atomenergie nicht mehr opportun ist! Allein schon der forcierte Ausbau von Wasser- und Windkraft droht am Widerstand von Natur- und Landschaftsschützern zu scheitern. Hier braucht es ein Umdenken von allen Akteuren. Dieses Umdenken haben wir im vergangenen Jahr noch nicht oder noch zu wenig gesehen. Im neuen Jahr muss diesbezüglich noch einiges an Denk- und Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Zu etwas Erfreulicherem. Im letzten Mai läuteten nicht nur im Vereinigten Königreich die Hochzeitsglocken, auch die Zentralschweizer Handelskammer und die Luzerner Industrie Vereinigung vereinigten sich. Da haben sich zwei gefunden, die zusammenpassen! Der würdige Anlass im Luzerner KKL wurde mit einem denkwürdigen Referat von Peter Brabeck abgerundet. Im eigentlichen Wasserschloss von Europa zeigte er uns seine Sicht über das „Wasser als unabdingbare Voraussetzung für das Funktionieren unserer Gesellschaft“. Das Ziel unseres Zusammenschlusses ist es, als stärkste Wirtschaftsorganisation und wirkungsvollste Unternehmensplattform der Zentralschweiz aufzutreten, mit EINER Stimme im politischen Prozess für optimale wirtschaftliche Rahmenbedingungen in der Zentralschweizer zu kämpfen und die wirtschaftspolitische Agenda in unserer Region mitzubestimmen.
Der Start zu DER Wirtschaftsorganisation der Zentralschweiz ist geglückt – ob es uns gelingen wird, weitere Wirtschaftsverbände zu einem Anschluss zu motivieren, das werden wir sehen. Wir setzen im kommenden Jahr jedenfalls alles daran.
Im August wurde der Höhepunkt der Eurokrise erreicht. Mit einem Kurs von annähernd 1:1 gegenüber dem Euro setzte sich auch bei Spätzündern die Erkenntnis durch, dass ein zu starker Franken der Schweizer Volkswirtschaft schadet. Vorgängig gab es heftigen Widerstand von gewissen Parteien, welche die Deviseninterventionen der SNB noch im Frühling in beleidigenden Anzeigenkampagnen kritisiert hatten und dadurch sowohl Herrn Hildebrand als auch die SNB geschwächt haben.
Die IHZ schaute dem Treiben selbstverständlich nicht tatenlos zu, sondern forderte die SNB zum entschlossenen Eingreifen auf. Um die Handlungsfähigkeit der Unternehmen zu sichern, verlangten wir in einer Medienmitteilung einen garantierten Mindestkurs. Und siehe da – wir wurden gehört! Kurz nach unserer schriftlichen Intervention setzten unsere Währungshüter eine Wechselkursuntergrenze von Fr. 1.20 fest. Da soll noch jemand sagen, die IHZ habe keinen Einfluss und kein Gewicht!
Aber wohin diese abenteuerliche Reise noch führen wird, das wissen nur die Götter. Sicher ist nur, dass wir mit einer breit gestützten, unabhängigen und starken SNB die besseren Karten haben, als wenn ihre Exponenten dauernd in den Medien kritisiert werden. Die SNB hat auch bekräftigt, dass sie im Fall eines Konjunktureinbruches bereit ist, jederzeit weitere Massnahmen zu ergreifen. Sie rechnet aber damit, dass sich der Frankenkurs in Zukunft eher weiter abschwächt und schätzt den Franken gegenwärtig als immer noch zu hoch bewertet ein. Das sehen wir bei der IHZ genauso. Deshalb überlegen wir uns, ob wir nicht mit einem neuen Vorstoss eine Erhöhung der Untergrenze auf Fr. 1.30 fordern sollen – beim ersten Mal hat es ja auch gewirkt!
Im September dann wieder ein Highlight: auf dem Pilatus ging bei schönstem Wetter das erste Zentralschweizer Wirtschaftsforum über die Bühne. 250 Persönlichkeiten aus unseren Mitgliedsunternehmen nutzten die Möglichkeit, mit illusteren Gästen und Referenten aus der ganzen Schweiz über die Probleme und Herausforderungen in der Zentralschweiz zu diskutieren. Ganz konkret und bodenständig, nicht abgehoben oder philosophisch. Wir diskutierten über Schwächen und Chancen. Wir sprachen darüber, was uns hier in der Zentralschweiz verbindet und was getan werden muss, damit wir nicht zum Wohnzimmer von Zürich oder einer anderen starken Grossregion in unserem Land werden, sondern selbst ein attraktiver Wirtschaftsstandort bleiben. Die Veranstaltung war ein voller Erfolg und ich freue mich schon jetzt auf das 2. Zentralschweizer Wirtschaftsforum am 6. September dieses Jahres!
Meine Damen und Herren sie sehen, im abgelaufenen Jahr wechselten sich Ups und Downs beinahe im Monatsrhythmus ab. Im zweiten Halbjahr hat sich die weltweite Schuldenkrise immer stärker akzentuiert und ist bis heute präsent Sie führte dazu, dass die europäischen Regierungspräsidenten im Herbst öfter nach Brüssel reisen mussten, als ihnen vermutlich lieb war. Fast wöchentlich steht ein anderer hoch verschuldeter Staat im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Griechenland, Italien, Portugal, Spanien… Sicher erscheint fast nichts mehr – ausser die Rückstufungen der Staaten durch die Ratingagenturen. Diese kommen inzwischen so sicher wie das Amen in der Kirche! Ist Ihnen, werte Zuhörerinnen und Zuhörer, auch schon aufgefallen, welche verdächtigen Namen diese Agenturen haben? Die grösste heisst ja „Standard & Poors“ – also „gewöhnlich armselig“. Die zweitgrösste heisst „Moody“, was frei übersetzt etwa so viel wie „launisch“ heisst. Sie stimmen mir sicher zu, vertrauenserweckend klingen diese Namen nicht. Ich habe mich auch schon gefragt, ob „Rating“ etwas mit „Raten“ zu tun hat.?
Die gegenwärtige Krise zwingt Europa zu Reformen. Die EU steht vor einem Bündel von Aufgaben, die nur von einer starken Institution und mit vereinten Kräften wahrgenommen werden können. Aber auch die Schweiz ist gezwungen, sich zu bewegen. Unsere Interessenwahrung im Ausland ist dabei ebenso wichtig wie die konsequente Besinnung auf unsere Stärken. Dazu gehört die Suche nach Verbündeten auf europäischer Ebene genauso wie die Stärkung unseres Föderalismus, unserer politischen Stabilität und unserer direkten Demokratie. Und natürlich nicht zuletzt gehört es auch dazu, dass wir unsere urschweizerischen Tugenden wie Leistungswille und Bescheidenheit vorleben.
Genau diese Tugenden sollten aber nicht nur für uns gelten, sondern von uns auch als Botschaft nach Europa getragen werden. Das bedingt aber, dass man uns wieder respektiert! Respekt muss aber erarbeitet werden. Dies ist aber schwierig, wenn unsere Bundesräte das Wort Europa beinahe nicht mehr in den Mund nehmen dürfen und beinahe heimlich nach Brüssel reisen müssen! Aber solange Staatsmänner, die ihre eigenen Länder verantwortungslos heruntergewirtschaftet haben, mit dem Finger auf uns zeigen und uns z.B. in Steuer- oder Bankfragen uns den Weg weisen wollen, bin ich der Ansicht, dass wir noch meilenweit davon entfernt sind, respektiert zu werden. Hier gibt es auch im kommenden Jahr noch viel zu tun!
Geschätzte Gäste, Sie wissen ja wer bezahlt, wenn ein Italiener, ein Portugiese und ein Grieche im Restaurant so richtig schön Schlemmen gehen? Natürlich der Deutsche…
Sie haben es sicher bemerkt, ich bin bei meinem Rückblick bei der Politik angelangt. Bei den eidgenössischen Wahlen im Oktober wurde zwar ein Drittel der Parlamentarier ausgewechselt, ein Erdrutsch war das trotzdem nicht. Die etablierten Parteien mussten Federn lassen und neue Gewächse sprossen aus dem Boden. Die beiden noch jungen Parteien Grünliberale und BDP konnten zulegen, spricht man von einer „Stärkung der Mitte“. Der Vertrauensvorschuss der Wähler in die beiden neuen Kräfte ist bis jetzt noch durch keinen Leistungsausweis gedeckt. Nun sind die „Sieger“ gefordert. Sie müssen sich beweisen und aufzeigen, wofür sie wirklich einstehen.
Zusammen mit dem neu gewählten Parlament sind sie nun gefordert, die Stärken unseres Landes auszubauen und unser Land verantwortungsvoll durch diese stürmischen Zeiten zu führen. Ich wünsche mir ein lösungsorientiertes, bürgernahes Parlament, dass sich für den verantwortungsbewussten Erhalt und Ausbau unserer Infrastruktur, eine gezielte Förderung unserer Innovationskraft und eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes einsetzt. Ich hoffe, dass im Parlament jetzt endlich Ruhe einkehren wird, die Rachegelüste und Querelen bald in den Hintergrund treten und einer lösungsorientierten Gesinnung Platz machen. Damit man sich mit aller Kraft den anstehenden Herausforderungen stellen kann!
Von der Politik wird ja vieles gefordert und auch erwartet. Ich bin der Meinung, oft zu vieles! Wir sollten nie vergessen, wie viel wir selber in der Hand haben und beeinflussen oder verändern können. Jeder ist doch für sich und sein Handeln selber verantwortlich! Die Politik wird zwar oft zum Buhmann gemacht und es heisst jeweils schnell: macht endlich dies, macht endlich das, macht endlich jenes. Oft geht vergessen, dass viele Gesetze und Massnahmen durch eigenverantwortliches Handeln verhindert werden könnten. Nehmen wir nur mal die Diskussion um die Scheinselbständigen. Die Bekämpfung dieser Entwicklung beginnt bei der Vergabe von Aufträgen und nicht durch das Inkraftsetzen entsprechender Gesetze. Eine sorgfältige Evaluation eines Geschäftspartners hört nicht beim Preis auf! Wenn Unternehmen mit Scheinselbständigen zusammenarbeiten und dies nicht wissen, dann haben sie eine falsche oder unsorgfältige Evaluation gemacht.
Jeder von uns muss bei sich selber anfangen, und jeder einzelne kann zum Wohlergehen unseres Landes beitragen. Wir haben hier so viel Positives und unsere Klagen bewegen sich im internationalen Vergleich auf sehr hohem Niveau. Akzeptieren wir doch einfach, dass das Leben ein Wellental ist – wie nur schon dieser kurze, subjektive Jahresrückblick zeigt. Die Geschichte zeigt uns aber auch, dass es im Leben immer weitergeht! Im Moment müssen wir alles daran setzen, dass es wieder aufwärts geht. Das beginnt im Kopf, im Kopf jedes einzelnen von uns. Ich höre oft: macht weniger Gesetze, schreibt nicht immer alles vor oder Eigenverantwortung soll doch gelebt werden dürfen. Genau! Also nehmen wir diese Eigenverantwortung wahr – aber verantwortungsvoll.
Dann braucht es nämlich keine neuen Gesetze gegen die Scheinselbständigen. Wenn wir verantwortungsvoll und solidarisch handeln, nicht im Ausland einkaufen oder bewusst den Schweizer Tourismus unterstützen, dann muss die Politik diesbezüglich auch keine neuen Gesetze machen! Wir wollen uns ja in einem freien Markt bewegen – nicht in einer Planwirtschaft. Nach welcher notabene nur dann gerufen wird, wenn es uns schlecht geht.
Seien wir uns doch bewusst: die Schweiz hat in der Vergangenheit extrem erfolgreich agiert und ist gut aufgestellt. Wir haben wenig Schulden, einen hohen Lebensstandard und eine super Infrastruktur. Wir haben ein perfektes Bildungssystem – auch wenn der Output noch zu wünschen übrig lässt. Wir haben eine tiefe Arbeitslosigkeit und im Sozialbereich ein stabiles, sicheres System. Eigentlich sind wir doch die Musterknaben! Lassen wir nicht alles schlechtreden – sondern kämpfen wir weiter engagiert für diese Errungenschaften!!!
Ich wünsche uns allen, dass wir auch in schwierigen Zeiten zusammenstehen können, stark und zuversichtlich bleiben, dass wir weiterhin entschlossen nach Erfolg und Spitzenleistungen streben und dabei die Menschen um uns herum respektieren.
Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen allen im 2012 Gesundheit, von allem nur das Beste und viel Erfolg – und darf Sie jetzt herzlich einladen zu einem anregenden Neujahrsapéro!