Die zu Ende gegangene Session war geprägt durch Geschäfte, die stark polarisierten – die Erhöhung des Armeebudgets und die Beschaffung der F35-Kampfjets oder die Revision des Sexualstrafrechts mit „Nein heisst Nein“/„Nur Ja heisst Ja“ entwickelten sich zu echten Monsterdebatten. Entsprechend geriet der Rat ins Hintertreffen, viele Traktanden konnten nicht mehr behandelt werden und wurden vertagt. Denn die sogenannte „chambre de réflexion“ verändert sich zusehends in eine „chambre pour la tribune“. Wo früher Wortführer von Befürwortern und Gegnern mit differenzierten Voten ihre Sichtweise vertraten, entwickelte sich in dieser Session ein Schlagabtausch zwischen den Lagern, der von Quantität statt Qualität geprägt war. Der Hinterste und die Letzte hatten das Gefühl, dass auch sie durch die x-te Wiederholung von bereits gemachten Aussagen ihren persönlichen Beitrag zur Debatte leisten und üppig Ideologie für die Tribüne absondern müssen – ohne jeglichen Erkenntnisgewinn wurden Fronten zementiert und Empörung bewirtschaftet.

Natürlich war dies nicht in jeder Debatte der Fall, Geschäfte wie die BVG-Reform, der Retungsschirm für die Strombranche oder das Raumplanungsgesetz sind technisch anspruchsvoller und die Gefahr eines Profilierungsmankos bei vielen Ratsmitgliedern entsprechend geringer. Doch was sind die Gründe für die sinkende Debattenqualität und die abnehmende parteiübergreifende Kompromissbereitschaft im Stöckli? Ist es die neue Zusammensetzung oder ist es möglicherweise das neue Abstimmungsreglement in der kleinen Kammer, das transparent aufzeigt, wer wie abgestimmt hat? Ich weiss es auch nicht, aber sicherlich müssen wir feststellen, dass eine gemeinsame, überparteiliche Lösungsfindung schwieriger geworden ist.

Wenn sich die Quantität der Reden und Voten nicht wieder hin zur inhaltlichen Qualität bewegt, laufen wir Gefahr, unsere unverwechselbare Kultur zu verlieren. Konsequenterweise müssen auch wir dann mit Redezeitbeschränkung oder ähnlichem rechnen. Wir Ständeräte haben es in den eigenen Händen, dies zu verhindern – Eigenverantwortung und (Selbst-) Disziplin sind nun von allen gefragt. Jetzt wird sich zeigen, wer Wasser predigt und Wein trinkt.

Ich wünsche Ihnen eine erholsame, erlebnisreiche und erfrischende Sommerzeit!

Kolumne Nidwaldner Zeitung