Geschätzte Mitbürgerinnen und Mitbürger
Ich freue mich, zum Geburtstag unseres wunderbaren Landes ein paar Worte an Sie zu richten. Bei der Vorbereitung fiel mir auf, dass bei Ansprachen zum 1. August oft mit Alarmglocken geschellt und dazu der Warnfinger erhoben wird. Internationale Entwicklungen, Verlust der Souveränität, fremde Einflüsse, Veränderungen und neue Regeln sind ein paar Stichworte, denen man in den letzten Jahren in vielen Ansprachen zu unserem Nationalfeiertag begegnete.
Steht es so schlimm um unser Land und die Menschheit, dass wir an diesem Festtag vor allem warnen und den Teufel an die Wand malen müssen? Natürlich, es stimmt schon – Gewalt, Krieg und Terror sind in den Medien allgegenwärtig. Aber wird tatsächlich alles schlimmer, entwickelt sich unser Planet und unser Land nur zum Schlechten? Von wegen! Meine geschätzten Damen und Herren, wissen Sie, was die Wahrheit ist? Die Wahrheit ist, dass es der Welt heute so gut geht wie noch nie – und der Schweiz im Besonderen! Wir leben zwar noch nicht im Paradies, aber noch nie ging es so vielen Menschen auf der Welt so gut wie heute. Wir leben heute in der besten und friedlichsten Epoche der Menschheit. Wir leben gesünder und länger als noch vor 40 Jahren. Und obwohl wir weniger arbeiten bleibt uns einiges mehr auf dem Konto. Wir sind also trotz mehr Freizeit reicher geworden. Unsere Kinder erhalten eine bessere Ausbildung. Wir leben mit unseren Nachbarn seit Jahrzehnten im Frieden, gewaltsame gesellschaftliche Konflikte sind selten geworden. Natürlich profitieren nicht alle in gleichem Ausmass von diesem Zuwachs an Lebensqualität und Wohlstand, aber für die überwiegende Mehrheit zeigen all diese Entwicklungen in eine positive Richtung.
Das gilt für die Schweiz, und das gilt auch für den Rest der Welt. In den meisten Staaten auf unserem Globus haben sich die Lebensverhältnisse so grundlegend verbessert, wie dies noch vor 20, 30 Jahren niemand vorauszusagen gewagt hätte. Verschiedene Indikatoren zeigen klare Verbesserungen auf unserer Welt. Die weltweite Armut konnte seit 1990 drastisch verringert werden. In der gleichen Zeit hat sich die Kindersterblichkeit in allen Weltregionen halbiert. Und obwohl wir fast täglich von Terrorgefahr hören, täuscht dieses subjektive Gefühl – in Tat und Wahrheit haben der Terror und die Anzahl Terroropfer in Europa im Vergleich mit den 1970er- bis Mitte 1990er-Jahre effektiv abgenommen.
Und bei uns in der Schweiz? Unserem Land geht es so gut wie noch nie! Unsere Wirtschaft ist eine der stabilsten Volkswirtschaften der Welt. Mit einem Bruttoinlandprodukt von über 80’000 Franken pro Kopf belegen wir weltweit einen absoluten Spitzenplatz und die Exporte stiegen allein 2018 um 8,9 Milliarden gegenüber dem Vorjahr. Die registrierte Arbeitslosigkeit ist diesen Juni auf tiefe 2,1 % gefallen. Natürlich ist unser Franken weiterhin zu stark, aber trotzdem sind die Konjunkturprognosen positiv und das Wirtschaftswachstum sollte weiter anziehen – wenn auch nicht in Rekordhöhe. Wenn wir das Gestern dem Heute ungeschminkt gegenüberstellen, dann leben wir in einem goldenen Zeitalter, meine Damen und Herren. Warum nur nehmen wir die Gegenwart so düster wahr und sehen uns von Krisen, Katastrophen und Zerfall bedroht, wenn die tatsächlichen Entwicklungen und Trends eine Erfolgsgeschichte beschreiben?
Denn nicht nur unserer Wirtschaft geht es gut, auch das Leben allgemein in der Schweiz entwickelt sich höchst positiv! Zum dritten Jahr in Folge ist die Schweiz auf dem Spitzenplatz des „Best Countries Report 2019“ zu finden, wo nebst dem wirtschaftlichen Einfluss auch Faktoren wie Bildung und Lebensqualität erfasst werden. Und auch im Ranking der innovativsten Länder der Welt belegt unser Land Platz eins, bereits zum sechsten Mal in Folge. Das sind Good News, die man leider viel zu selten hört und viel zu wenig beachtet. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir vor lauter schlechten Nachrichten die guten Entwicklungen leider kaum mehr wahrnehmen und schätzen. Unserem Land geht es hervorragend, das ist ein Fact, den ich im Rahmen unserer Geburtstagsfeier wieder einmal hervorstreichen möchte!
Aber ist nun deshalb alles in Butter bei uns? Natürlich nicht! Auch ich sehe an vielen Orten Handlungsbedarf – wobei ich heute vor allem einen hervorheben möchte. In meinen Augen muss sich unser Land momentan nicht vor Bedrohungen von aussen fürchten. Gegenüber Europa zeigen wir eine starke Abwehrhaltung, gleichzeitig werden ureigene Schweizer Errungenschaften ohne Not, freiwillig und fast unbemerkt zerstört. Darum möchte ich kurz den Fokus darauf legen, was innerhalb unserer Grenzen passiert. Ich finde, dass wir uns hierzulande das Leben zu oft selber schwer machen und uns selber im Weg stehen. Ein Schlagwort dafür ist für mich die überbordende Regulierung oder Standardisierung, mit denen wir unseren eigenen Spielraum verkleinern und die oft jeden gesunden Menschenverstand spottet. Zwei Beispiele aus jüngster Zeit aus meiner Tätigkeit für die Titlis-Bahnen. Für den Bau eines Mastens mussten tatsächlich zwei Ameisenhaufen umgesiedelt werden, selbstverständlich begleitet von einem derart grossen bürokratischen Aufwand, als ob es sich um goldene Ameisen handeln würde. Und für die Garagierung der Seilbahnkabinenen muss ein Bau, der notabene ausschliesslich aus Beton besteht, aufwendig mit Sprinkleranlagen versehen werden, deren Erstellung mehrere Hundertausend Franken kostet. Unglaublich – hier vermisse ich tatsächlich Augenmass und erkenne ein Beamtentum, das mehr Probleme schafft als es löst. Diese Tendenz beobachte ich vielerorts. Eine Tendenz, die auch noch das allerkleinste Restrisiko ausschliessen möchte und uns Vorschriften beschert, die uns vorgaukeln, dass wir ewig leben können, wenn wir nur alles bis ins hinterletzte Detail regulieren und absichern. Diese gefährliche Entwicklung, dass wir uns bildlich gesprochen selber in Handschellen legen, fördert die Deindustrialisierung in unserem Land. Aktuelle Beispiele dafür gibt es – leider – jede Menge.
Eines, das unsere Region und unseren Kanton besonders stark betrifft, sind die Geschehnisse um die Pilatus Flugzeugwerke in den letzten Wochen. Grund dafür ist der Entscheid des Aussendempartements EDA, den Pilatus-Flugzeugwerken in Stans Dienstleistungs- und Wartungsarbeiten für den PC-21 in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zu verbieten. Und damit der Bewilligung des Staatssekretariats für Wirtschaft SECO widerspricht, die zu einem viel früheren Zeitpunkt erteilt wurde. Durch den Beschluss des EDA können die Pilatus Flugzeugwerke ihre vertraglich zugesicherten Arbeiten nicht weiterführen. Für den Rückzug – der keine aufschiebende Wirkung hat – wurden gerade mal 90 Tage eingeräumt. Die Zeit drängt also! Der Entscheid des EDA irritiert und verunsichert nicht nur die Verantwortlichen und Mitarbeiter der Pilatus und deren Kunden, nein, auch bei mir schellen sämtliche Alarmglocken. Wie ist es möglich, dass Arbeitsplätze des mit mehr als 2000 Beschäftigten grössten Arbeitsgebers in unserem Kanton vom Bund derart leichtfertig aufs Spiel gesetzt werden? Wie kommt es, dass ein Entscheid von dieser Tragweite nicht vom Gesamtbundesrat abgesegnet wird? Entschuldigen Sie, wenn ich es so klar ausdrücke – aber früher kamen die Vögte noch von aussen, heute haben wir sie scheinbar im eigenen Land. Da erlässt der Sektionschef „Private Sicherheitsdienste“ im EDA ohne Einbezug des Gesamtbundesrats eigenmächtig eine Verfügung, da die getätigten Unterhaltsarbeiten der Pilatus seines Erachtens den aussenpolitischen Zielen der Schweiz und dem für völlig andere Fälle geschaffenen Söldnergesetz widersprechen – und das erfolgreiche Unternehmen muss um seine Existenz fürchten. Das ist ein Skandal, ich kann es nicht anders sagen!
Es kann und darf einfach nicht sein, dass die persönliche Weltanschauung eines Bundesbeamten unserer Wirtschaft völlig unnötig den Boden unter den Füssen wegzieht und für unser Land, und im speziellen für unsere Region, gravierendste Folgen hat. Denn es geht im Fall Pilatus auch um Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit, um Glaubwürdigkeit und Berechenbarkeit unseres Landes – Eigenschaften, die die Schweiz bisher ausgezeichnet und zu ihrem exzellenten Ruf in der Welt beigetragen haben.
Selbstverständlich setze ich mich als Nidwaldner Ständerat seit Bekanntwerden des Falls gegen diese Beamtenwillkür zur Wehr – und ich werde auch weiterhin mit aller Kraft für die existenziell wichtigen Arbeitsplätze und unsere Pilatus Flugzeugwerke kämpfen.
Die Vorfälle rund um die Pilatus Flugzeugwerke konnte ich beim besten Willen nicht positiv formulieren – aber es ist mir wichtig, meine Gedanken positiv zu beenden. Und da dürfen wir uns gerne an unsere weitsichtigen Vorfahren erinnern, die sich 1291 auf die Verteidigung unserer heutigen Heimat eingeschworen haben. Sie haben damals aktiv einen Schritt unternommen, sind zusammengestanden und nicht angstvoll vor Bedrohungen zurückgewichen.
Heute sollten wir ihnen dankbar sein, denn wir leben im besten aller möglichen Länder, wie ich finde. Und damit dies so bleibt, müssen wir weiter vorwärts gehen, weiter innovativ bleiben und uns bewusst werden, wie gut es uns eigentlich geht. Darüber sollten wir uns freuen und daraus Kraft schöpfen können – und nicht in Angst erstarren, weil sich die Welt und wir uns mit ihr verändern. Wir müssen ganz bewusst auch Risiken eingehen und aktiv handeln, statt nur Besitzstandswahrung und Verteidigung in den Vordergrund zu stellen. Gleichzeitig müssen wir uns auf unsere Grundwerte besinnen, die uns erfolgreich gemacht und uns Wohlstand beschert haben. Diese Grundwerte sind die Basis unseres aktuellen Erfolgs. Und diese Basis muss stark und tragfähig bleiben, damit wir alle weiter darauf bauen können. Wir dürfen uns diese Basis und unsere Grundwerte nicht schlechtreden und demontieren lassen, sonst gefährden wir unseren aktuellen und unseren zukünftigen Erfolg. Wo nichts oder nur noch wenig vorhanden ist, da kann auch nichts darauf aufgebaut werden. Darum müssen wir auch unserer Demokratie Sorge tragen und nicht aus übertrieben negativer Sichtweise für Jedes und Alles ein neues Gesetz in unsere Verfassung schreiben. Wir sollten wieder vermehrt den gesunden Menschenverstand walten lassen und uns darauf zurückbesinnen, wer in unserem Staat welche Aufgabe auszuführen hat. Das dürfen Sie selbstverständlich auch gerne dem vorhin erwähnten Sektionschef im EDA ausrichten.
Nun wünsche ich Ihnen Mut und Zuversicht für die Zukunft, liebe Schweizerinnen und Schweizer – und einen freudigen und geselligen 1. August 2019. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Mit besten Grüssen
Hans Wicki, Ständerat NW